Am 05.09.2024 fand, wie immer in der vollbesetzten Bauernscheune in Bösleben, die traditionelle Tagung zur Gesundheit kleiner Wiederkäuer zum 17. Mal statt; mit großem Engagement in bewährter Form organisiert durch Dr. Udo Moog von der Thüringer Tierseuchenkasse mit Unterstützung durch die Landestierärztekammer Thüringen, das Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum sowie die beiden Landesverbände der Thüringer Schaf- und Ziegenzüchter e.V.. Das Programm war – ebenfalls wie immer – vielfältig, interessant und lehrreich.
Nach der Begrüßung der Teilnehmer informierte Dr. Moog zu aktuellen Problemen. Insbesondere bewegte und bewegt noch immer der Vormarsch der Blauzungenkrankheit die Tierhalter (siehe aktuelle Infos in diesem Heft). 2024 war außerdem ein „Jahr für Würmer“. Speziell der Rote gedrehte Magenwurm verursachte viele Verluste, häufig ohne vorhergehenden Durchfall. Bei Verdacht sollten unbedingt Kotproben untersucht und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Es folgten Erläuterungen zu Stand und Akzeptanz der Anerkennungsverfahren für Schaf- und Ziegenbestände mit dem Status „vernachlässigbares Risiko“ für
klassische Scrapie. Nicht fehlen durfte auch der Hinweis auf die Nutzung der Homepage der TSK (Anträge, Meldungen, Beihilfen und Beiträge).
Tierärztin Hannah Hümmelchen von der Justus-Liebig-Universität in Gießen und Dr. Christian Mendel von der LfL in Grub stellten das immer noch aktuelle Thema
„Schwanz ab oder Schwanz dran, das ist hier die Frage…“ in den Mittelpunkt ihrer Vorträge. Frau Hümmelchen beleuchtete die Problematik aus der Sicht
der Tiermedizin. Sie stellte voran, dass laut Tierschutzgesetz ein Amputationsverbot besteht, dass aber das Kupieren des Lämmerschwanzes (<8 Tagen) als Ausnahme im Einzelfall noch erlaubt ist, wenn es bei vorgesehener Nutzung dem Schutz des Tieres dient. Aus der Sicht des Tierwohls sind mögliche negative Folgen langer bewollter Schwänze:Verschmutzung durch Kot und Urin, Fliegenmadenbefall (Myiasis), Schwanzverletzungen, schwierigeres praktisches Handling, Probleme beim Deckakt und fehlende Akzeptanz unkupierter Tiere (v.a. Auktionen).
|
Als Lösungsansätze identifizierte sie: • Zucht auf kürzere Schwänze • Optimales Endoparasitenmanagement • Zucht auf Parasitenresistenz • Vermeidung von Durchfällen (Stall- Weide- und Futterhygiene, Kolostrumversorgung, Impfmanagement…) • Schwanzschur |
Hannah Hümmelchen, Gießen
Dr. Christian Mendel, Zuchtleiter bei der Bayrischen Herdbuchgesellschaft für Schafe e.V. betrachtete das Thema aus der Sicht der Zucht und stellte eine Untersuchung der Auswirkung verschiedener Kupiermethoden vor. In der unten abgebildeten Grafik ist das Ausmaß der Ruhelosigkeit bei den vier verwendeten Kupiermethoden zu sehen.
Ruhelosigkeit bei den vier verwendeten Kupiermethoden zu sehen. Es wird deutlich, dass alle 7 cm Methoden mit Belastung für das Lamm einhergehen, die 15 cm Variante dagegen keine Belastung darstellt. Die Wundbonitur ergab etwas größere und stärker geschwollene Wunden bei kürzerem Kupieren. Im Ergebnis wird das Kupieren bei 15 cm empfohlen. Als Perspektive sieht Dr. Mendel eine züchterische Verkürzung der Schwänze bis zur Höhe des Sprunggelenkes. Hierfür ist die
Schwanzlänge in der ersten Lebenswoche mindestens zu bonitieren, evtl. auch zu messen. Da voraussichtlich nur 8 Jahre bis zum endgültigen Verbot bleiben,
muss damit schnell begonnen und effektiv selektiert werden.
Dr. Christian Mendel, Poing
Dr. Johanna Meilwes sprach zum Thema „Geteilte Weiden & Geteilte Ställe: Welche Erreger stecken mehrere Tierarten an“.
Sie ging auf eine Vielzahl von Erregern und Ansteckungsmöglichkeiten ein. Risikofaktoren dabei sind vor allem gemeinsame Haltung oder Nutzung von Weideflächen nacheinander aber auch der Einsatz von Kuhtränkmilch und -kolostrum, Düngung mit Mist oder Gülle anderer Tierarten oder die Übertragung durch Insekten.
Endoparasiten sind oft wirtsspezifisch, kleine Wiederkäuer und Neuweltkamele teilen sich jedoch einige Magen-Darm-Würmer. Eine Wechselbeweidung mit Schafen, Rindern und Pferden kann aber auch Vorteile haben. Kokzidien sind streng wirtsspezifisch. Häufig, wie z.B.bei der Paratuberkulose, ist das Übertragungsrisiko nur schwer einschätzbar. Bei Wechselbeweidung minimieren Beweidungspausen u.U. das Risiko der Krankheitsübertragung (Moderhinke, CODD, BKF). Hunde als
Überträger sollten nicht unterschätzt werden: regelmäßig Entwurmen,Futterfleisch erhitzen oder einfrieren sind nötig.
Dr. med. vet. Johanna Meilwes, Langenhagen
Karsten Siersleben, Berater beim Landeskontrollverband für Leistungs- und Qualitätsprüfung in Sachsen-Anhalt e.V. informierte zur „Verbesserung von Gesundheit
und Robustheit landwirtschaftlicher Nutztiere“.
Im Auswertungsjahr 2023 wurden in den 38 beteiligten Ringbetrieben bei 12.639 Ablammungen 18.347 Lämmer lebend und tot geboren. Die Ablammrate betrug 86 %, was bedeutet, dass von 100 vor dem Bock gestandenen Schafen 14 nicht gelammt haben. Auffällig war, dass von allen reproduktionsfähigen Mutterschafen (MS), die Betriebe nur 88,6 % der Tiere den Zuchtböcken zuführten. Bei Jungschafen (Reproduktion) standen nur 44,3 % der Tiere vor dem Bock. Übrig blieben punktuell reine Landschaftspflegegruppen. Mit 145 % kann für 2023 ein ordentliches Ablammergebnis ausgewiesen werden. Die Gesamtverlustrate lag bei 15,2 %! Werden die totgeborenen Lämmer (651 Stück) eliminiert, errechnet sich über alle lebend geborenen Lämmer eine Verlustrate von 12,1 %. Nach Abzug der lebensschwach geborenen Lämmer (494 Stück) wurden 17.202 Lämmer zur Aufzucht eingestallt (lebensfähig). Aus diesen eingestallten Lämmern errechnet sich eine
Verlustrate von 9,5 %. Laut den Empfehlungen für hygienische Anforderungen an das Halten von Wiederkäuern (BMEL 2014) sollten Lämmerverluste von über
5 % in den ersten acht Lebenswochen weitergehend untersucht werden. Hierzu muss ergänzt werden, dass die Erfassung im KBR Schaf und Ziegenhaltung zumeist längere Haltungszeiträume (bis zu 7 Monaten bei Weidelämmern) betrifft. Dies muss bei der Diskussion der Daten berücksichtigt werden.
Jeder Betrieb sollte diese Verlustursachen unbedingt hinterfragen. Wurden eventuell auch Fehler im Vorbereitungsmanagement der Lammzeiten gemacht oder liegen die Gründe im Gesundheitsstatus der Herde. Fehler im Vorbereitungsmanagement könnten vor allem in der Aufstallung und der Futterversorgung zu suchen sein. Bei Verdacht auf gesundheitliche Ursachen ist ein mögliches Infektionsgeschehen z.B. mit Bakterien/Clostridien über den Hoftierarzt und/oder den Schafgesundheitsdienst abzuklären. Genaue betriebliche Aufzeichnungen zur Trächtigkeit der Mutterschafe (MS) und zum Verlustgeschehen der Lämmer helfen enorm bei der Analyse und Beratung.
Karsten Siersleben, Halle (Saale)
„Giftpflanzen für Schafe und Ziegen erkennen und bewerten“ war das Thema von Dr. Patricia Leberl.
Sie stellte eine Reihe giftiger auf (Mäh)Wiesen und Weiden und die von ihnen ausgehenden Gefahren vor. Eine der gefährlichsten ist die Herbstzeitlose, die
auch getrocknet oder siliert nichts von ihrer Giftigkeit verliert. Ähnlich gefährlich können Kreuzkrautgewächse (24 Arten in Deutschland, in England, Irland und der
Schweiz meldepflichtig) oder der Gefleckte Schierling sein. Johanniskraut und diverse Hahnenfußgewächse verlieren ihre Giftigkeit größtenteils durch Trocknung, können in frischem Zustand aber gesundheitliche Probleme verursachen (Hautreizungen, Fotosensibilisierung, Nierenschäden). Stark giftig ist auch die Gemeine Eibe, die immer wieder Todesfälle verursacht.
Dr. Udo Moog ergänzte dieses Thema noch mit seinen Ausführungen zu „Vergiftungen durch Pflanzen bei Schafen und Ziegen; Diagnose und Therapie“.
Ursache für eine Zunahme der Vergiftungen durch Pflanzen in den letzten Jahren ist die weitestgehend extensive Grünlandbewirtschaftung in der Schaf- und Ziegenhaltung, durch die die Artenvielfalt der Pflanzen gefördert wird. Da die meist bitteren Giftpflanzen von den Tieren möglichst gemieden werden, führt dies zum vermehrten Aussamen dieser Pflanzen. Kommt es neben unzureichender Weidepflege zusätzlich zu einer Überweidung, verringert sich die Selektionsmöglichkeit und das Risiko für die Aufnahme von Giftpflanzen steigt. Es besteht weiterhin der Verdacht, dass besonders kranke Tiere und solche mit Mineralstoffmangel sowie
frisch umgesetzte Tiere häufiger Pflanzen mit schädigenden Inhaltsstoffen fressen.
Therapiemöglichkeiten:
• schnelle Unterbrechung der Giftexposition → z.B. Weidewechsel, Heckenschnitt Koppel entfernen;
• Elementarhilfe (Aufrechterhaltung vitaler Körperfunktionen, symptomatische Therapie,verbringen in den Schatten bei Photodermatitis);
• Eliminationstherapie und Resorptionshemmung (Futterumstellung, Ruminotomie und -spülung)
• Diagnostik zur Abklärung der Vergiftung und Überleitung in die spezifische Therapie Allgemeine Maßnahmen zur Vermeidung von Vergiftungen durch Pflanzen
Bei Unregelmäßigkeiten im Verhalten der Tiere oder ernsthaften Krankheitssymptomen, sofort Weidefläche bzw. das Futter der Tiere untersuchen. Gibt es Hinweise auf Giftpflanzen, ist das Ausmaß der Schädigung der Tiere meist noch zu begrenzen. Bei der Haltung von Milchschafen oder lämmerführenden Muttern ist zu beachten, dass aufgenommene Giftstoffe auch in die Milch übergehen können. Durch die antipastoralen Eigenschaften vieler Giftpflanzen (Geruch/Geschmack, Stachel) werden diese bei ausreichendem Futterangebot in der Regel gemieden. Da eine nicht unerhebliche Anzahl von Giftpflanzen auf feuchtem und nassem Grünland bzw. an Gräben und Senken beheimatet ist, sollten diese nach Möglichkeit ausgegrenzt werden. Nachmahd behindert die Ausbildung von Samen und begrenzt so die weitere Ausbreitung von Giftpflanzen. Eine Herbizidbehandlung kann unter Umständen sinnvoll und angemessen sein, falls sie zugelassen ist. Bei Herbizidanwendung und Nachmahd ist zu beachten, dass auch das abgestorbene Pflanzenmaterial meist noch giftig ist.
Spannend zu hören war zum Abschluss der “Streifzug durch die regionale Geschichte der Schäfer-Kultur“ von Dr. Karl-Heinz Kaulfuß.Er berichtete von den
Anfängen der Domestikation, der Ausbreitung des Bauerntums von Asien nach Europa vor 11000 bis 7000 Jahren, der Rolle der Schäfer und Schafe in
Religion und Gesellschaft. Schäferei in und um den Harz im Mittelalter mit der durch sie beeinflussten Kultur – Kleidung, Musik, Gebäude wurden in
unterhaltsamer Form vorgestellt.
Aus der jüngeren Geschichte sprach Dr. Kaulfuß zur Einführung der merinoartigen Schafrassen – hier speziell der Merinofleischschafe und zur Entwicklung von Gutsschäfereien im 18. Jahrhundert.
Fachtierarztpraxis Dr. Karl-Heinz Kaulfuß, Heimburg
Die 18. Gemeinsame Tagung wird am 25.9.2025 wie immer in der Bauernscheune zu Bösleben stattfinden. Es erwartet sie wieder ein spannendes Programm.