Im vergangenen Jahr wurden von immer mehr Landwirten und Tierärzten schwere Missbildungen bei Rindern, Schafen und Ziegen gemeldet. Diese werden durch das Schmallenberg-Virus (SBV) hervorgerufen, benannt nach dem Ort Schmallenberg im Hochsauerland. Dort wurde es im November 2011 zuerst nachgewiesen. Ähnliche Erreger kommen in Afrika, Asien und Australien vor. Diese neue Krankheit wird – ähnlich der Blauzungenkrankheit – durch Gnitzen übertragen.

Der Schaf- und Ziegengesundheitsdienst informiert auf einem Merkblatt über das Schmallenberg-Virus. Das vollständige Merkblatt finden Sie unter Formulare / Downloads Downloads .

Klinisches Bild

Bei akuten Infektionen von Rindern und kleinen Wiederkäuern treten keine oder nur milde Symptome auf, die meist übersehen werden. Leitsymptome beim Rind sind Milchrückgang, Fieber und Durchfall. Diese Symptome wurden während der Vektor-aktiven Zeit beobachtet. Das Virus zirkuliert nur bis zu 6 Tagen im Blut (Virämiephase). Die klinischen Symptome klingen auch innerhalb weniger Tage ab.

Totgeborenes Schaflamm Gefährdet sind die trächtigen Rinder, Schafe und Ziegen. Hier kann eine Infektion in bestimmten Zeitabschnitten der Trächtigkeit zu schweren Missbildungen führen. Diese vulnerable Phase liegt bei Schaf und Ziege vermutlich zwischen Tag 28 und 38 und beim Rind wahrscheinlich zwischen Tag 75 und 150. Es treten Aborte, mumifizierte Feten, Früh- oder Totgeburten sowie die Geburt lebensschwacher, missgebildeter Lämmer und Kälber auf. Häufigste Missbildungen sind Wasserkopf (Hydrocephalus), verkürzter oder fehlender Unterkiefer, schwere Gelenksverkrümmungen (Arthrogryposen) sowie ein eingeknickter Hals, der nicht gerade zu biegen ist (Torticollis). Das zentrale Nervensystem kann schwerste Schäden aufweisen. Der Symptomkomplex wird als Arthrogrypose-Hydranencephalie-Syndrom (AHS) bezeichnet.

Diagnose

Aufgrund der Meldungen in der Presse kamen in den letzten Wochen sehr viele Anfragen von Tierärzten und Landwirten zum Schmallenberg-Virus. Grundlage für die gewünschten exakten Auskünfte zur Verbreitung ist die zentrale Erfassung der bisherigen Fälle. Dazu gehört:

  1. der Erregernachweis
  2. die Anzahl der bisherigen Geburten mit Missbildungen im Bestand im Verhältnis zur Bestandsgröße und der Anzahl der Geburten im letzten Vierteljahr
  3. Bedeckungs- bzw. Besamungszeitpunkt (wann kamen die Böcke in die Herde?)

In Thüringen können Lämmer und Aborte mit Missbildungen problemlos mit dem Kurier eingesendet werden. Voraussetzung ist eine ordentliche wasserdichte Verpackung! Kurierstützpunkte sind alle Thüringer Veterinäramter und einige Milchviehanlagen sowie die Tierseuchenkasse in Jena. Natürlich können Landwirte die betroffenen Tiere selbst zum Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz (TLV) in Bad Langensalza, Tennstedter Str. 8/9, bringen. Rinderhalter können für betroffene Kälber auch das neue Transportfahrzeug für Tiere zur Untersuchung im TLV nutzen. Die Transporte können von Montag bis Freitag in der Zeit von 6.00 bis 17.00 Uhr bei SecAnim unter der Faxnummer 036201 66115 angemeldet werden. Dazu ist das entsprechende Anforderungsformular “Transportauftrag zur Sektion” [pdf] , zu finden unter http://www.thueringen.de/th7/tlv/tiergesundheit/untersuchungsauftraege/ , zu verwenden.

Verbreitung

Bei einem Neueintrag in eine ungeschützte Wiederkäuer-Populationen mit hoher Tierdichte ist mit einer raschen Verbreitung und mit missgebildeten Lämmern und Kälbern zu rechnen. Die Verbreitung erfolgt in erster Linie durch Insekten (Gnitzen). Die Verbreitung von SBV in Schaf- und Ziegenherden in Deutschland wurde in mehreren parallel verlaufenden Studien untersucht. Insgesamt wurden über 250 Schaf- und Ziegenherden beprobt und mit einem SBV-spezifischen Fragebogen interviewt. Die entnommenen Blutproben wurden mittels ELISA auf Antikörper gegen das SBV untersucht und die Seroprävalenz der einzelnen Herden berechnet. Es wurde eine Schwankungsbreite von 0–100 % Intra-Herden-Prävalenz in den verschiedenen Betrieben festgestellt. Das heißt, dass Schaf- und Ziegenherden in Deutschland zum größten Teil längst noch nicht vollständig mit dem neuen Virus durchseucht sind und somit weiterhin die Gefahr neuer SBV Infektionen besteht. Mögliche Gründe für diese Ergebnisse liegen wahrscheinlich sowohl in den unterschiedlichen Haltungs- und Nutzungsbedingungen von kleinen Wiederkäuern und Rinder und den daraus resultierenden unterschiedlichen Entwicklungsbedingungen der Gnitzen als auch in der unterschiedlichen Wirtspräferenz der Vektoren sowie der Empfänglichkeit der Wirte für das Virus. Zusammenfassend gesagt werden: Am häufigsten werden Rinder, dann Schafe und dann Ziegen infiziert. Die Ursache für die vergleichsweise hohe Durchseuchungsrate in den Rinderbeständen ist wahrscheinlich darin zu suchen, dass hier den übertragenden Gnitzen zugleich Blutmalzeit (Rind) und Brutstätte (Güllebereich) geboten wird.

Präventionsmaßnahmen und Ausblick

Möglichkeiten der Prävention sind zum einen die Aufstallung der Tiere (zumindest über Nacht) während der Frühträchtigkeit, um die Tiere vor den dämmerungs- und nachtaktiven Gnitzen zu schützen. Strikte und kontinuierliche Behandlungen mit Repellentien können ebenfalls das Risiko von SBV Infektionen minimieren, wobei erwähnt werden muss, dass die meisten auf dem Markt befindlichen Ektoparasitika keine ausreichende Repellentwirkung gegen Gnitzen erzielen bzw. die Gnitzen erst nach einer stattgefundenen Blutmahlzeit töten, nach welcher das Virus schon übertragen worden sein kann. Mit Knoblauch angereichertes Mineralfutter wird ebenfalls von einigen Schafhaltern eingesetzt und als erfolgreich beurteilt; entsprechende Beweise fehlen jedoch. Die Verlegung der Deckperiode in die kältere Jahreszeit kann ebenfalls helfen das Risiko von Verlusten durch SBV Infektionen zu minimieren, da die Gnitzenpopulation in den Wintermonaten stark abnimmt. Jedoch bieten alle genannten Maßnahmen keinen 100%igen Schutz gegen SBV Infektionen, da Gnitzen den Tieren in den Stall folgen können, Repellentien meist keinen zuverlässigen Schutz gegen Gnitzen bieten und sogar in den kältesten Wintermonaten Gnitzen nachgewiesen werden konnten. Der wahrscheinlich einzig wirkungsvolle Schutz ist eine Impfung. Seit kurzem ist von Zoetis der Impfstoff Zulvac SBV® für Schafe, und Rinder zugelassen.

Durch die unvollständige Durchseuchung der Schaf- und Ziegenherden in Deutschland ist auch in den nächsten Ablammsaisonen mit missgebildeten und totgeborenen Lämmern zu rechnen, wenn auch in geringerem Umfang als 2012 und 2013.

Weitere Auskünfte

Schaf- und Ziegengesundheitsdienst: Dr. Udo Moog, Fachtierarzt für Schafe und Ziegen (direkt )

Das vollständige Merkblatt finden Sie unter Formulare / Downloads Downloads .